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Erbvertrag anfechten, geht das?
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Erbvertrag anfechten, geht das?

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Ein Erbvertrag kann eine gute Sache sein, um bereits zu Lebzeiten zu regeln, was mit dem Vermögen (Nachlass, Erbe) nach dem Tod geschehen soll. Doch nicht immer sind alle mit dem Erbvertrag einverstanden. 

Im nachfolgenden Artikel erklären wir Ihnen in leicht verständlicher Weise, unter welchen Umständen Sie als Erbe, Beteiligter oder Vertragspartei den Erbvertrag anfechten können. 

Erbvertrag anfechten, geht das?

Was ist ein Erbvertrag?

Der Erbvertrag ist ein rechtsverbindlicher Vertrag zwischen Ihnen als künftigen Erblasser und mindestens einer weiteren Person (Vertragspartei). Sie können sich also mit einer oder mehreren anderen Personen darüber einigen, was mit Ihrem Vermögen (Erbe, Nachlass) nach Ihrem Tod geschehen soll.

Das Schweizer Erbrecht kennt zwei Arten/Formen von Erbverträgen. Die beiden Arten sind einander gleichgestellt. Je nach Situation, in der Sie sich befinden,  eignet sich der eine oder andere Erbvertrag besser für Sie und Ihre Erben. 

❗Der Erbvertrag kann im Gegensatz zum Testament nicht einseitig angepasst werden, wenn Sie Ihre Meinung ändern. Es gibt jedoch gewisse Möglichkeiten, um sich abzusichern. Da sich die Möglichkeiten je nach individuellem Bedürfnis unterscheiden, raten wir Ihnen, dies mit einem Spezialisten oder einer Spezialistin anzuschauen. 

Wieso einen Erbvertrag anfechten?

Das Ziel einer Anfechtung ist, den Erbvertrag aufzulösen. Teilweise soll der ganze Vertrag aufgelöst werden, manchmal nur einzelne Teile. Meist geschieht die Anfechtung durch jene, die damit nicht einverstanden oder davon betroffen sind. Eine Anfechtung kann dann Erfolg haben, wenn einer der gesetzlichen Anfechtungsgründe vorliegt (vgl. unten). Das Gericht entscheidet dann darüber, ob es eine Anfechtung anerkennt.

Was bedeutet “anfechten” überhaupt?

Das Schweizer Erbrecht geht vom Grundsatz der Anfechtbarkeit aus. Das bedeutet, dass eine Verfügung von Todes wegen (Erbvertrag und Testament) grundsätzlich gültig ist. Die Verfügung kann also Fehler enthalten und bleibt trotz Mangel gültig, respektive anwendbar. 

Wenn sich nun jemand dazu entscheidet, den Erbvertrag anzufechten, befasst sich ein Gericht mit der Frage, ob der Erbvertrag gültig ist. Dabei wird dem Willen des Erblassers grosses Gewicht beigemessen. Das Gericht erklärt dann in seinem Urteil, ob der Vertrag ungültig, teilweise ungültig oder gültig ist. 

💡Wird ein Erbvertrag nicht rechtzeitig angefochten, erlischt die Möglichkeit zur Anfechtung.

Was ist der Unterschied zu “nichtig”?

Die Nichtigkeit ist im Schweizer Erbrecht als Ausnahmeregelung gedacht. Nur unter ganz bestimmten Gründen kann eine Verfügung von Todes wegen (Testament und Erbvertrag) für nichtig erklärt werden. Ursachen können beispielsweise extreme Rechts- oder Sittenwidrigkeit sein, ein unmöglicher Inhalt oder kein erkennbarer Testierwille des Erblassers.

💡Nichtigkeit kann jederzeit geltend gemacht werden. Sie verjährt nicht.

Kann ich einen Erbvertrag anfechten?

Bestimmte Personen können einen Erbvertrag anfechten. Ob Sie einen Erbvertrag anfechten können, hängt davon ab, ob Sie ein berechtigtes Interesse an der Anfechtung haben. Berechtigtes Interesse liegt vor, wenn Sie von einer Anfechtung profitieren.

Vereinfacht gesagt können wir zwei Gruppen unterscheiden, die den Erbvertrag anfechten können. Der Erblasser kann den Erbvertrag aus besonderen, im Gesetz genannten Gründen angefochten werden. Als Erben (eingesetzt oder gesetzlich) kann der Erbvertrag aus bestimmten Gründen ebenfalls angefochten werden.

☝️ Als aussenstehende Person (Vermächtnisnehmer, Dritte) kann der Erbvertrag nur angefochten werden, wenn man in einer früheren Verfügung eigentlich vom Erblasser bedacht worden wäre.

Gründe für eine Anfechtung

Wenn Sie einen Erbvertrag anfechten und dabei Erfolg haben wollen, muss ein anerkannter Grund vorliegen. Nicht jede Unzufriedenheit mit dem Erbvertrag rechtfertigt eine Anfechtung. Das kommt davon, dass der Erblasser, innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten, frei entscheiden kann, was er mit seinem Vermögen (Erbe, Nachlass) machen möchte. 

☝️ Wenn Sie sich überlegen, ob Sie den Erbvertrag anfechten wollen, ist es sinnvoll, Ihre Situation mit einem unserer Spezialisten zu besprechen. Sie helfen Ihnen gerne und zeigen Ihnen auf, welche weiteren Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Die nachfolgende Aufzählung von Gründen ist nicht abschliessend. Sie zeigt jedoch jene Gründe auf, die in der Praxis am häufigsten vorkommen.

1. Der Willensmangel

Bei einem Willensmangel geht es darum zu erklären, dass der Wille des Erblassers nicht richtig ist. Das Gesetz kennt drei Gründe, die dazu führen können.

Der Irrtum

Beim Irrtum werden zwei  Arten unterschieden:

  • Beim sogenannten Erklärungsirrtum stimmt der Wille des Erblassers nicht mit dem überein, was im Erbvertrag steht. Der Erblasser erklärt also im Erbvertrag etwas anderes, als er eigentlich will.
  • Beim sogenannten Motivirrtum unterzeichnet der Erblasser den Erbvertrag unter Umständen, die in Wirklichkeit gar nicht wahr sind. Das, was im Erbvertrag steht, entspricht also zwar dem Willen des Erblassers, aber der Grund, der dazu geführt hat, dass überhaupt ein Erbvertrag unterzeichnet wurde, ist falsch. Weil der Grund falsch ist, ist so gesehen auch sein Wille nicht richtig.

Die arglistige Täuschung

Bei der arglistigen Täuschung wird der Erblasser von einem Erben oder einem Dritten getäuscht. Die Täuschung ist so gross, dass Elemente in den Erbvertrag eingeflossen sind, die sonst nicht hineingekommen wären. 

Zwang oder Drohung

Hat der Erblasser einen Erbvertrag nur geschlossen, weil ihm gedroht wurde, dann ist der Vertrag anfechtbar. Der Erblasser konnte seinen Willen nicht frei bilden. Er wurde von jemandem unter Druck gesetzt und beeinflusst. Dies macht den Erbvertrag anfechtbar.

2. Die fehlende Testierfähigkeit

Der Erblasser muss im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Erbvertrags testierfähig sein. Damit jemand testierfähig ist, muss die Person mindestens 18 Jahre alt und urteilsfähig sein. Bei der Urteilsfähigkeit meint man die Fähigkeit, dass ein Mensch in der Lage ist, vernünftige Entscheidungen zu treffen und nach diesen Entscheidungen zu handeln.

☝️Der öffentlich beurkundete Erbvertrag wird in Anwesenheit einer Urkundsperson geschlossen. Diese beurkundet, dass die Parteien urteilsfähig sind. Die zwei Zeugen bestätigen mit ihrer Unterschrift ebenfalls die Urteilsfähigkeit. Die Anfechtung eines solchen Erbvertrags wegen fehlender Testierfähigkeit ist bei einer solchen Konstellation nur schwer möglich.

3. Die Sitten- oder Rechtswidrigkeit

Das Gesetz sagt, dass der Erbvertrag anfechtbar ist, wenn der Inhalt oder eine Bedingung gegen die “guten Sitten” verstösst oder rechtswidrig ist. Was damit gemeint ist, wird im Gesetz nicht näher ausgeführt. Will man den Erbvertrag wegen Sitten- oder Rechtswidrigkeit anfechten, muss das Handeln des Erblassers und der Vertrag genauer angeschaut werden. 

4. Der Formmangel

Ein Erbvertrag muss bestimmte Formvorschriften einhalten, damit er gültig ist. Genauer gesagt muss er dieselben Vorschriften einhalten, wie die öffentliche letztwillige Verfügung. Wenn die Formvorschriften nicht eingehalten sind, wird der Erbvertrag anfechtbar.

☝️Die Nichteinhaltung von Formvorschriften führt nur ausnahmsweise, bei grober Missachtung, zur Nichtigkeit. Unter Nichtigkeit versteht man die Ungültigkeit von Anfang an, die von den Behörden beachtet werden muss.

5. Die Verletzung der Pflichtteile

Je nach Inhalt des Erbvertrags können die Pflichtteile eines oder gar mehrerer Erben verletzt werden. Sind Sie durch den Vertrag in Ihren Pflichtteilen verletzt, können Sie den gesamten Vertrag oder Teile davon anfechten. 

💡Der Vertrag wird nicht direkt ungültig, wenn die Pflichtteile verletzt werden. Vielmehr wird er angepasst, so dass alle die Pflichtteile erhalten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Herabsetzungsklage

6. Weitere Gründe

Neben den genannten Gründen können noch weitere Gründe wie beispielsweise die Erbunwürdigkeit oder die Tatsache, dass bereits ein früherer Erbvertrag besteht. Bei letzterem hat der Erblasser ja schon entschieden, was mit seinem Vermögen (Erbe, Nachlass) geschehen soll. Der neue Erbvertrag wird somit anfechtbar.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie mit einer Anfechtung Erfolg haben, dann helfen Ihnen unsere Spezialisten/innen im Bereich Erb- und Nachlassrecht gerne weiter.

Voraussetzungen für die Anfechtung

Die Anfechtung eines Erbvertrags durch Erben oder Dritte ist nur möglich, wenn der Erblasser bereits verstorben ist. Wie bereits erwähnt, muss ein zulässiger Anfechtungsgrund vorliegen. Zudem muss die Anfechtung innerhalb einer bestimmten Frist geschehen. Das Gesetz sieht hier vor, dass man ein Jahr Zeit hat seit dem Tod des Erblassers und der Kenntnis über einen Anfechtungsgrund. 

☝️Als Erblasser können Sie den Erbvertrag ebenfalls aus bestimmten Gründen anfechten. Gründe sind beispielsweise Willensmängel, Täuschung, Drohung oder Zwang. Auch hier muss die Anfechtung innerhalb einer bestimmten Frist geschehen. Sie haben ein Jahr Zeit, von dem Moment an, in dem der Irrtum aufgeflogen ist, sie von der Täuschung Kenntnis haben oder der Einfluss von Drohung und Zwang weggefallen ist. 

Wie funktioniert die Anfechtung?

Wie Sie dem obenstehenden Artikel entnehmen konnten, ist eine Anfechtung nur in bestimmten Fällen möglich. Es braucht schwerwiegende Gründe und die Einhaltung der Frist, damit der Erbvertrag erfolgreich angefochten werden kann. Die Anfechtungsklage wird in der Regel von einem Anwalt bei einem Gericht eingereicht. Das Gericht entscheidet dann über die Anerkennung der Anfechtungsgründe. In seinem Entscheid erklärt das Gericht den Erbvertrag dann für ungültig, teilweise gültig oder gültig. 

Wird der Erbvertrag für ungültig erklärt, bedeutet das, dass der Erbvertrag rückwirkend für unwirksam erklärt wird. Es ist also so, wie wenn es den Erbvertrag nicht geben würde. Hat der Erblasser noch andere letztwillige Verfügungen von Todes wegen, bestimmen diese die Erbfolge und ansonsten gilt die gesetzliche Erbfolge. 

Wird der Erbvertrag für teilweise ungültig erklärt, werden die betroffenen Passagen entweder gestrichen oder so angeglichen, dass sie dem Gesetz entsprechen. 

Wird der Erbvertrag für gültig erklärt, weil kein Anfechtungsgrund vorlag oder die Anfechtungsfrist verstrichen war, bedeutet das, dass die Ansprüche aus dem Erbvertrag durchgesetzt werden können. Das Gericht hat mit seinem Urteil die formale und inhaltliche Korrektheit bestätigt.

Wir helfen Ihnen

Das Schweizer Erbrecht ist eine sehr komplexe Thematik. Sie müssen bei der Anfechtung eines Erbvertrags zahlreiche Aspekte berücksichtigen. Ein Anwalt kann Ihnen dabei helfen, herauszufinden, ob eine Anfechtung erfolgreich sein kann und unterstützt Sie bei einer allfälligen Anfechtung. Wir empfehlen Ihnen daher, eine Anwältin oder einen Anwalt mit Spezialisierung Erbrecht beizuziehen.

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Antworten auf Ihre Fragen

Unter welchen Umständen kann ein Erbvertrag angefochten werden?
Wer kann einen Erbvertrag anfechten?
Welche Gründe können zur Anfechtung eines Erbvertrags führen?
Wie läuft der Prozess der Anfechtung eines Erbvertrags ab?
Wie lange hat man Zeit um einen Erbvertrag anzufechten?