Der Rechtsmarkt ist unübersichtlich, Vergleichsmöglichkeiten gibt es kaum. Wer nicht auf persönliche Empfehlungen zurückgreifen kann, verliert schnell den Überblick. Worauf kommt es also an, wenn Sie eine Anwältin, einen Anwalt suchen? Dr. iur. Philipp H. Haberbeck erläutert in diesem Gastbeitrag, welche Punkte Sie unbedingt berücksichtigen sollten.
Die meisten Anwältinnen und Anwälte dürften in ihrer Karriere gelegentlich selbst erfahren haben, wie schwierig es sein kann, eine gute Anwältin oder einen guten Anwalt zu finden. Beispielsweise, wenn sie eine Kollegin im Ausland oder ausserhalb ihres eigenen Spezialgebietes gesucht haben. Anwältinnen und Anwälte können also nachvollziehen, wie schwierig es für Laien in der Regel ist, einen passenden Rechtsberater zu finden. Was kann man Laien in diesem Zusammenhang empfehlen, um erfolgreich den für sie geeignetsten Anwalt zu finden?
Spezialisierung beachten
Es dürfte eine Binsenweisheit sein, dass heute keine Anwältin oder kein Anwalt mehr in der Lage ist, in jedem Bereich bewandert und damit für jeden denkbaren Fall geeignet zu sein. Dafür war die horizontale (immer mehr Lebensbereiche wurden und werden „verrechtlicht“) und vertikale (die Normendichte nahm und nimmt immer weiter zu) Gesetzgebungstätigkeit in den letzten Jahrzehnten zu expansiv. Das hat zu einem entsprechend starken Wachstum der Tätigkeit in der Justiz und Verwaltung geführt. Aufgrund dieser Entwicklung ist es heute für Juristinnen und Juristen bereits anspruchsvoll, in zwei oder drei Spezialgebieten auf der Höhe der Rechtsetzung und Rechtsanwendung zu sein. Vor Rechtsanwälten, die mit einer Spezialisierung in fünf, zehn oder sogar mehr Rechtsgebieten werben, sei also ausdrücklich gewarnt!
Aus Sicht der Rechtsuchenden ist es vor obigem Hintergrund in jedem Fall entscheidend, dass sie Anwältinnen und Anwälte wählen, die im relevanten Bereich – Steuern, Scheidungen, Strafuntersuchungen etc. – effektiv spezialisiert sind. Oder wie es Werner Grundlehner in einem NZZ-Artikel vom 8. Februar 2021 (S. 24) formuliert: „Bei Anwälten verhält es sich letztlich wie bei Ärzten – nicht jeder ist für alle Krankheiten und Eingriffe ein Spezialist. Gute Ergebnisse bringt der Spezialist nur in seinem Fachgebiet.“
Vorsicht bei Empfehlungen
In den meisten Fällen dürften sich Laien bei der Suche nach einer Anwältin oder einem Anwalt an persönliche Bekanntschaften halten oder an Empfehlungen aus ihrem Umfeld orientieren. Entsprechende Empfehlungen können eine gute (erste) Informationsquelle sein. Sich aber einzig auf entsprechende, im Grunde genommen zufällige Bekanntschaften oder Hinweise zu verlassen, ist jedoch riskant und nicht immer zielführend. Statt einzig auf eine Bekanntschaft oder Empfehlung zu setzen, klassischer Weise ist dies ein Golf- oder Tennisfreund oder eine sonstige Bekanntschaft aus dem persönlichen Umfeld, sollte sich der Rechtsuchende in jedem Fall über den betreffenden Anwalt ein genaueres Bild verschaffen. Dank des Internets, der sozialen Medien und diverser Datenbanken ist es heute möglich, aufschlussreiche Informationen über Rechtsberater in Erfahrung zu bringen.
Letztlich geht es bei der Anwaltssuche darum, im Ergebnis eine möglichst kompetente Anwältin oder einen möglichst kompetenten Anwalt zu finden. Aufgrund des einschlägigen Anforderungsprofils – es geht, vereinfacht ausgedrückt, bei Anwälten um Gehirn-, nicht um Muskelkraft – sollte der Rechtsuchende bei seinen oben erwähnten Recherchen über die Kompetenz der Anwältin oder des Anwalts diverse einschlägige Aspekte anschauen, u.a. folgende: Wie hat eine Anwältin ihr Studium abgeschlossen – mit oder ohne Prädikat? Über welche Zusatzqualifikationen verfügt der Anwalt – über ein Zusatzstudium im Ausland, ein Doktorat und/oder einen Fachanwalts-Titel? Wie lange ist die Anwältin bereits in der Praxis tätig? Bei welchen Arbeitgebern war beziehungsweise ist der Anwalt tätig, wenn er nicht als Selbständiger arbeitet? Hat die Anwältin in Fachzeitschriften publiziert – und wenn ja, zum relevanten Thema?
Rechtsbereich definieren
Verfügt ein Rechtsuchender nicht über eine relevante Bekanntschaft oder Empfehlung, sollte er sich in einem ersten Schritt darüber klarwerden, in welchem Rechtsbereich sein Beratungsbedarf angesiedelt ist. Geht es um eine baurechtliche Angelegenheit oder um ein Problem mit Steuerbehörden, oder besteht Handlungsbedarf im Zusammenhang mit einem Strafverfahren? In der Regel dürfte es auch Laien gelingen, den relevanten Rechtsbereich zumindest grob zu ermitteln, gegebenenfalls mit Hilfe des Internets. In einem zweiten Schritt gibt es mittlerweile auch für den Schweizer Anwaltsmarkt verschiedene Datenbanken. Zu nennen sind hier etwa die Datenbanken des Schweizer Anwaltsverbandes oder von Jurata, in denen – abhängig von Kriterien wie Geschäftssitz und Spezialisierung – nach Anwälten gesucht werden kann. Nach hier vertretener Ansicht ist die Datenbank von Jurata besonders geeignet, weil sich in dieser Datenbank Anwältinnen und Anwälte nicht nur nach Spezialgebieten suchen lassen, sondern weil die Suchergebnisse nach verschiedenen Kriterien verfeinert werden können, etwa nach der Dauer und dem Ort der Tätigkeit.
Verfügbarkeit prüfen
Für Laien von Interesse dürfte auch die Frage sein, ob die Grösse einer Anwaltskanzlei eine entscheidende Rolle spielt. Diese Frage ist mit einer typischen Juristenantwort zu beantworten: Es kommt darauf an. Je nachdem, wie die Umstände des rechtlichen Problems liegen, ergibt die Wahl einer grösseren Kanzlei Sinn. Etwa bei grossen Transaktionen, die unter Zeitdruck abgewickelt werden müssen. Oder komplexen Untersuchungen in Grossunternehmen. Solche Angelegenheiten können meist nur von grösseren Anwaltsteams bewältigt werden. Über derart grosse Kapazitäten zu verfügen und sie sofort bereitstellen zu können, ist für kleinere Kanzleien kaum möglich.
Ausserhalb von solchen kapazitätsbedingten Sachzwängen, hat die Grösse einer Anwaltskanzlei aber keine entscheidende Bedeutung. Im Vordergrund stehen dann vor allem die persönlichen Fähigkeiten der Mandatsträgerin und weitere relevante Aspekte, nicht zuletzt auch die Verfügbarkeit der Anwältin und die Höhe des Honorars. Gerade der Aspekt der Verfügbarkeit sollte nicht unterschätzt werden. Einem Rechtsuchenden ist nicht gedient, wenn der spezialisierte und kompetente Rechtsberater dermassen überlastet ist, dass er sich dem Fall des Rechtsuchenden, aus welchen Gründen auch immer, nicht mit der gebotenen Zeit und Aufmerksamkeit widmen kann. Nicht nur ist es für den Klienten frustrierend, wenn er übermässig lange auf Antworten oder Arbeitsprodukte seines Anwalts warten muss. Offensichtlich problematisch ist darüber hinaus, dass unter Zeitmangel auch unweigerlich die Qualität der Dienstleistung leidet. Der Rechtsuchende sollte also bei seinen Abklärungen auch sicherstellen, dass die Kandidatin oder der Kandidat nicht „overbooked“ ist, sondern über ausreichend freie Kapazität für das fragliche Mandat verfügt.
Ein Treffen kann helfen
Sicherlich ist jedem Rechtsuchenden zu empfehlen, einen Anwalt vor der Mandatierung persönlich kennenzulernen – im Sinne eines „smell tests“. Personen, die ein Mandat zu vergeben haben, sollten sich nicht scheuen, die allfällige Mandatierung einer Anwältin auch von einem solchen persönlichen Treffen abhängig zu machen. Ein solches Treffen ist nicht ungewöhnlich, sondern wird im Gegenteil immer häufiger erwartet. Lehnt eine Anwältin oder ein Anwalt ein solches Vorgehen ab oder verlangt bereits für ein persönliches Kennenlernen eine Entschädigung, sagt dies nach hier vertretener Ansicht bereits einiges über die Person aus.
Findet ein Treffen statt, vermitteln die Lage und Gestaltung des Büros oder das Auftreten des Anwalts dem Rechtsuchenden in Ergänzung zu seinen Recherchen weitere wertvolle Informationen, die in einem Bauchgefühl resultieren sollten. Ist dieses schlecht, so ist dem Rechtsuchenden zu empfehlen, die Suche nach der richtigen Anwältin beziehungsweise dem richtigen Anwalt fortzusetzen. Gerade in grösseren Städten gibt es bekanntlich für praktisch jedes Spezialgebiet zahlreiche Anbieter, so dass die Suche nach dem richtigen Anwalt – also dem für die fragliche Aufgabe bestqualifizierten Anbieter – über kurz oder lang von Erfolg gekrönt sein sollte.
Dieser Beitrag basiert auf dem Gastkommentar von Dr. Haberbeck zum Thema der Anwaltssuche, veröffentlicht in der NZZ vom 14. April 2020.