Der Architektenvertrag ist eine wichtige rechtliche Grundlage für Bauprojekte in der Schweiz. Er regelt die Beziehung zwischen dem Bauherrn und dem Architekten und legt die Rechte und Pflichten beider Parteien fest. In diesem Artikel werden die wesentlichen Aspekte eines Architektenvertrags in der Schweiz erläutert und wichtige Informationen zur Vertragsgestaltung gegeben.
Was ist ein Architektenvertrag?
Die rechtliche Qualifikation eines Architektenvertrags ist umstritten. Grundsätzlich gehören alle Teilleistungen, die in der SIA Ordnung 102 festgehalten sind, zur Architektur und somit in den Architektenvertrag. Je nach zu erbringender Leistung ist das Werkvertrags- oder Auftragsrecht auf den Architektenvertrag anwendbar.
Werkvertraglicher Charakter des Architektenvertrags
Wenn der Architekt Tätigkeiten ausführt, die objektiv messbare Ergebnisse hervorrufen, werden diese Leistungen dem Werkvertrag unterstellt. Dazu gehören tendenziell:
- Planung des Bauvorhabens gegen ein Honorar (auch Planungsvertrag genannt)
- Projektierungsarbeiten rund um das Bauprojekt
- Erarbeitung des Kostenvoranschlags
Auftragscharakter des Architektenvertrags
Kommt es bei der Erfüllung insbesondere auf die Wertung und Erfahrung des Architekten an und sind die Tätigkeiten eher nicht objektiv messbar, werden jene Leistungen dem Auftragsrecht unterstellt. Dazu gehören tendenziell:
- Vergabe von Arbeiten rund um den Bau
- Übernahme der Bauleitung
- Übernahme der Bauaufsicht
💡 Im Streitfall entscheidet das Gericht über die Zuordnung einer Tätigkeit zum Werkvertrags- oder Auftragsrecht.
Wie erkenne ich einen guten Architekten?
Die Bezeichnung “Architekt” ist in der Schweiz nicht geschützt. Das bedeutet, dass sich grundsätzlich jede Person Architekt nennen kann und es so schwer fällt zu erkennen, ob es sich bei der betreffenden Person um einen unqualifizierten Architekten oder eine qualifizierte Architektin handelt.
Ein Indiz für ausgebildete Architekten sind die Zusätze “SIA”, “HTL” oder “ETH”. Diese Zusätze sind geschützt und dürfen nur von qualifizierten Architekten geführt werden. Wenn jemand diesen Zusatz trägt, können Sie davon ausgehen, dass die Person eine Ausbildung im Architekturbereich abgeschlossen hat.
☝️ Eine Ausbildung allein qualifiziert nicht immer zum “guten Architekten”. Es ist daher ratsam, sich im Familien- oder Bekanntenkreis umzuhören.
💡Da es sich beim Architektenbegriff nicht um einen geschützten Begriff handelt, spielt es keine Rolle, wie die Parteibezeichnung im Vertrag lautet. Damit ein Vertrag als Architektenvertrag klassifiziert wird, kommt es allein darauf an, ob es sich bei den vereinbarten Leistungen um Architekturleistungen handelt.
SIA Ordnung 102
Wie bereits erwähnt, wird ein Vertrag nur dann dem Architektenvertrag zugeordnet, wenn es sich bei den geschuldeten Leistungen um Architekturleistungen handelt. Die SIA Ordnung 102 steht für “Ordnung für Leistungen und Honorare der Architektinnen und Architekten”. Sie erläutert unter anderem die Aufgaben und Stellung des Architekten und beschreibt die einzelnen Leistungen.
Vertragsinhalt gemäss SIA Ordnung 102
Mit dere SIA Ordnung kann folgender Inhalt dem Architektenvertrag zugrunde gelegt werden:
- Vertragsparteien: Bauherrschaft und Architekt
- Arbeitsumfang (Vorprojekt, Projekt, Vorbereitung der Ausführung, Ausführung, Abschluss)
- Vertretungsbefugnis
- Vertragsgrundlage primär: SIA-Ordnung 102; subsidiär: OR
- Vertragsunterlagen (Objekt, Wünsche und Ziele des Bauherrn)
- Honorar des Architekten inkl. Nebenkosten
- Fristen
- Modalitäten zur Vertragsauflösung
- Haftung und Versicherung
💡 Nur wenn explizit festgehalten wurde, dass die SIA Ordnung 102 die Vertragsgrundlage des Architektenvertrags bildet, wird sie zum Vertragsbestandteil. Wenn nichts vereinbart wurde, kommen die Bestimmungen des Obligationenrechts zur Anwendung.
💡Hier finden Sie den Mustervertrag für Architekturleistungen vom schweizerischen ingenieur- und architektenverein. Es handelt sich dabei um einen kostenpflichtigen Vertrag, der in vier Sprachen verfügbar ist.
Warum braucht es einen Architektenvertrag?
Wenn Sie ein Bauvorhaben realisieren möchten, sollten Sie sich sorgfältig und nicht leichtfertig überlegen, wer Ihr Bauprojekt realisieren soll. Es ist äusserst wichtig, sich im Vorfeld sorgfältig über die Person und ihre Arbeit zu informieren, denn die ausgewählte Person wird eine zentrale Rolle bei der Steuerung Ihres Projekts spielen, zusammen mit der Baumeisterin oder dem Generalunternehmer.
Sobald Sie sich für einen Architekten entschieden haben, empfiehlt es sich, gemeinsam die zu erbringenden Leistungen und die Preise zu besprechen und zu verhandeln. Die Ergebnisse sollten in einem Vertrag festgehalten werden, um gegenseitige Kontrolle und Sicherheit zu gewährleisten.
Der Architektenvertrag legt die Rechte und Pflichten beider Parteien fest und enthält eine detaillierte Beschreibung der zu erbringenden Leistungen. Daneben enthält er auch Bestimmungen, wie mit den häufigsten Problemen, die beim Bau vorkommen können, umgegangen wird. Letztendlich ist der Hauptzweck des Vertrags, eine schriftliche Dokumentation zu haben und mögliche Streitigkeiten im Voraus zu klären.
💡 Obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung gibt, einen Architektenvertrag abzuschliessen und viele Bauprojekte ohne einen solchen Vertrag realisiert werden, wird dringend empfohlen, dies zu tun.
Was sollte in einem Architektenvertrag geregelt sein?
Wenn Sie sich beim Architektenvertrag nicht an der SIA 102 Norm orientieren, ist es wichtig, dass ein Vertrag zwischen Architekten und Auftraggeber die Rechte und Pflichten beider Parteien so präzise und detailliert wie möglich festlegt. Die Leistungen eines Architekten können von der ersten Entwurfsphase bis zum Projektabschluss reichen oder sich nur auf bestimmte Phasen beziehen. In jedem Fall ist es wesentlich, dass der Architektenvertrag detailliert und umfassend die Leistungen aufgelistet, zu denen sich der Architekt verpflichtet.
Daneben sollte der Vertrag die spezifischen Leistungen des Architekten, die entsprechenden Gebühren und die Honorarberechnung umfassend regeln. Zudem müssen im Architektenvertrag auch klare Fristen für die Erbringung der Leistungen enthalten sein und geregelt werden, was im Falle einer Überschreitung dieser Fristen geschieht.
✅Die möglichst exakte Beschreibung der Leistungen und Gegenleistungen soll den beiden Vertragsparteien ermöglichen, ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten zu kennen und mögliche Risiken zu verstehen.
Worauf muss ich achten, wenn ich einen Architektenvertrag erstelle?
Wenn Sie selbst einen Architektenvertrag aufsetzen möchten, ist es wichtig, dass Sie über einige Kenntnisse im Vertragsrecht verfügen. Insbesondere jene Punkte, wie beispielsweise das Thema Baukostenüberschreitung, die potenziell strittig sein können, müssen klar geregelt sein.
✅ Da fehlende oder falsche Klauseln mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein können, empfehlen wir Ihnen, sich mit unseren SpezialistInnen im Baurecht in Verbindung zu setzen. Sie können Ihnen bei der Vorbereitung und Erstellung eines Architektenvertrags helfen und Sie auf mögliche Probleme aufmerksam machen.
Architektenvertrag widerrufen, geht das?
Normalerweise endet der Architektenvertrag, wenn die vertraglich vereinbarten Leistungen ordnungsgemäss, das heisst ohne Mängel, erbracht wurden.
Es kann jedoch vorkommen, dass der Bauherr den Vertrag vorzeitig und einseitig durch Widerruf beenden möchte.
Wenn der Vertrag keine Widerrufsklausel enthält, welche einerseits die entsprechende Möglichkeit und andererseits die daraus resultierenden Rechtsfolgen regelt, richtet sich der Widerruf nach dem Obligationenrecht: Das Obligationenrecht bestimmt, dass die Möglichkeit und die Konsequenzen eines Widerrufs davon abhängen, ob der Vertrag dem Auftragsrecht oder dem Werkvertragsrecht unterliegt:
- Wenn das Auftragsrecht auf die vereinbarten Leistungen oder Teile der Leistungen anwendbar ist, kann der Bauherr den Auftrag jederzeit kündigen. In der Regel ist der Bauherr nicht dazu verpflichtet, dem Beauftragten Schadensersatz zu leisten.
- Wenn die vereinbarten Leistungen oder die von der vorzeitigen Beendigung betroffenen Teile der Leistungen hingegen werkvertraglicher Natur sind, kann der Bauherr nur zurücktreten, wenn er den Architekten vollständig entschädigt. Das bedeutet, er muss dem Architekten den entgangenen Gewinn ersetzen und letztendlich trotz des Rücktritts das Architektenhonorar zahlen.
💡Ob der Architektenvertrag dem Werk- oder Auftragsrecht unterliegt, muss im Streitfall von einem Gericht entschieden werden, sofern keine vertragliche Vereinbarung dazu vorliegt.
⚠️Bei gemischten Verträgen, die sowohl Auftrags- als auch werkvertragliche Elemente enthalten, kann ein jederzeitiges Widerrufs- oder Kündigungsrecht aus dem Auftragsrecht abgeleitet werden. Dies gilt dann auch für die werkvertraglichen Teilleistungen.
Wir helfen Ihnen
Unsere BaurechtsspezialistInnen helfen Ihnen dabei, den Architektenvertrag entsprechend Ihren Bedürfnissen zu erarbeiten, oder einen bereits vorgefertigten Architektenvertrag zu überprüfen. Im letzten Fall ist es wichtig, dass die Überprüfung vor einem allfälligen Vertragsschluss vorgenommen wird.